
Ausgelassene Freude zeigte sich am Sonntagnachmittag, 8. Dezember 2024, auch in der Kasseler Innenstadt. Zunächst hielten syrische Jubeltrauben den Verkehr auf, anschließend ging es fast bis zum Königsplatz, ehe sich die spontane Versammlung auflöste.
Kassel – Gehupe tönt am Sonntag, 8. Dezember 2024, durch die gesamte Innenstadt. Am Steinweg halten feiernde Syrer und Syrerinnen die Flagge ihres Heimatlandes aus den Autos. Das Assad-Regime ist an diesem Tag gefallen, immer mehr Nachrichten über den Verlauf werden bekannt. In den syrischen Restaurants laufen arabische Sender und die Gäste lauschen gespannt den Stimmen, sehen die verwackelten Handybilder und staunen darüber, was sich gerade in Damaskus zuträgt.
Gegen 16 Uhr ist am Stern kaum noch ein Durchkommen für den Verkehr möglich. Eine spontane Demonstration – eher eine Jubeltraube – hat sich vor der dortigen Arztpraxis an der Kurt-Schumacher-Straße versammelt. Immer wieder werden arabische Sprechchöre angestimmt und viele junge Männer und Frauen sind behangen mit syrischen Flaggen. Alles wird mit Smartphones festgehalten.
Die Polizei ist mit nur drei Einsatzfahrzeugen vor Ort. Die Verkehrswacht der KVG regelt den Tramverkehr, was einigermaßen gelingt. Immer wieder biegen von der Unteren Königsstraße hupend Autos Richtung Altmarkt ab. Die Stimmung ist ausgelassen, obwohl nicht klar ist, wie es jetzt in Syrien weitergeht.
Wenig Polizeipräsenz
Gegen 16.30 Uhr setzt sich dann ein Zug in Richtung Königsplatz über die Untere Königsstraße in Bewegung. Alles ist friedlich, Landes- und Stadtpolizei müssen nicht eingreifen, sind aber auch in der absoluten Minderzahl. Sechs Stadtpolizisten und zwei Landespolizisten halten circa 200 Meter vom Königsplatz entfernt eine lose Kette aufrecht, aber auf Krawall hat ohnehin in diesem historischen Augenblick niemand Lust. Also ist auch keine einschüchternde Polizeipräsenz nötig.
Auf Höhe des Tchibo-Ladens in der Unteren Königsstraße macht die Spontan-Demo Halt. Einer der Stadtpolizisten zückt sein Smartphone und macht Erinnerungsfotos. Ein deutscher Passant zeigt sich dagegen skeptisch: „Noch jubeln sie, aber wie wird das wohl mit den Islamisten?“, fragt er ketzerisch.
Immer wieder klingen Jubelgesänge durch die Häuserflucht. Unter anderem:
„Assad ist weg, wir gehen jetzt nach Hause.“ Überprüfen lässt sich die Übersetzung eines Teilnehmers mangels Arabisch-Kenntnissen nicht. +++ 16.52 Uhr: Ein Knall, als ob ein Böller explodiert wäre. +++ Es bleibt aber alles entspannt und rhythmisches Klatschen setzt ein. +++ 16.54 Uhr: Die Demonstranten zücken ihre Handys und stellen ihre Taschenlampen an, wie bei einem Konzert +++ Fünf junge Männer haben sich mit syrischen Flaggen auf die Schultern ihrer Mitstreiter gestellt und heizen der Menge mit Sprechchören ein.

Circa 250 Teilnehmer
Auf einmal setzt Musik ein – aus Hanan’s Friseursalon. Die Musikanlage wird auf einen Stuhl vor den Salon gestellt: vier HiFi-Bausteine, zwei Boxen. +++ 17.02 Uhr: Es wird zur Musik getanzt. +++ Hörten zuvor die meisten Versammelten noch den arabischen Sprechchören, wenden sie sich nun den Tänzern vorm Cinnamood zu.
Stolz machen junge Männer Erinnerungsfotos von sich und der syrischen Flagge. +++ 17.07 Uhr: Die Musik hört auf zu spielen. „Geht nach Hause“, brüllt eine Stimme. Laut einem Polizisten hat jemand aus den Reihen der Demonstranten, quasi der inoffizielle Versammlungsleiter, die Demo für beendet erklärt. Die Traube um das Cinnamood wird kleiner und löst sich bis 17.15 Uhr fast komplett auf. Auf dem Weihnachtsmarkt sind vereinzelt im Laufe des Abends syrische Flaggen zu sehen. Circa 250 Teilnehmer hat die unangemeldete Spontan-Demonstration laut Polizeiangaben angezogen.