Drogen sind scheiße oder auch total toll

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Der Gin fließt, die Gedanken werden ebenso flüssig: Das kann ins Unheil führen – oder in die Ekstase. (Foto: Paul Bröker)

Drogen, da denkt man an Bewusstseinserweiterung und Illegalität. Ich denke an die Flucht ins Leben – im schlimmsten Fall an die Flucht davon.

Nicht mehr man selbst sein – befremdend, erschreckend. Aber irgendwie auch befreiend. Warum immer allen Ballast mit sich herumtragen? Warum nicht frei sein – zumindest für ein paar Stunden?

Alkohol, Drogen, pure Konzentration auf etwas Äußeres: All das bewirkt eine Selbstauflösung. Man nimmt sich plötzlich nicht mehr für wahr, für ernst. Vorher wäre das eine furchtbare Vorstellung. Nicht mehr man selbst sein, nicht kontrollieren zu können, was man macht, wie man handelt.

Aber das ist der Reiz von Drogen. Klar, ich könnte jetzt über die Gefahren aufklären. Sucht, Abhängigkeit, verzweifeltes Kleben am Stoff. Aber warum sollte ich? Manchmal bereitet die Überwindung der eigenen Grenzen auch einfach pure Freude. Da können die Bedenkenträger gerne hinten anstehen.

Es muss nicht im Exzess enden

Es muss ja nicht im kompletten Exzess enden. Dabei tut es das bei minder erfahrenen Konsumenten der Stoffe oft zwangsläufig. Das gehört zur Erfahrung des Aus-sich-selbst-Tretens dazu. Und ich finde, das ist gesund.

Es bereitet Qualen, sich nur nüchtern zu kennen. Im Engeren lernt man ja ohnehin auch nur im Nachhinein seine Super-(doofen/tollen)-Kräfte kennen. Dann, wenn man es wieder kontrollieren kann und sich schämt oder vielleicht sogar freut.

Es ist toll, dass man nicht weiß, warum etwas passiert, sondern das zulässt, was man sonst einhegt, mit Zwängen und Parolen. Jetzt fließt der Alkohol, die Linien werden gezogen und prompt ist alles dahin.

Toll zu wissen, anders sein zu können

Solange das Leben bleibt und die Erfahrung wächst, ist das alles okay. Gefährlich wird es, wenn das eigentliche Leben so fahl erscheint, dass der Rausch zum Dauerzustand werden soll.

Das ist möglich – das Leben ist prinzipiell für jeden vorstellbaren Weg offen. Aber ist es erstrebenswert, nicht mehr zu wissen, dass man anders sein kann? Stattdessen ist das Leben komplett verfärbt und nicht mehr echt – im Dauerrausch. Das ist für manche das Ziel, das eigentliche Leben erscheint trostlos.

Aber der Rausch ist nicht die Lösung, sondern die Flucht vor der Konfrontation mit dem Leben, das echte Lösungen braucht und keine Abstraktion. Handlungen, die die Qual beenden, statt sie zu verdrängen.

Sucht ist nur ein Pflaster

Was tun? Wenn das Leben als Qual erscheint, dann ist die Sucht nur das Pflaster, die Operation wartet weiterhin auf einen. Die Operation ist es, das Schicksal anzunehmen und nicht zu flüchten.

Wenn das Leben gut ist, bloß etwas langweilig – Abwechslung gelegen kommt –, dann schaden die Suchtmittel weiterhin, aber sie helfen auch, sich kurzzeitig zu distanzieren vom Ernst, der einen prägt. Flucht nach vorn, um wieder zu sich zu kommen. Kraft für den Weg in die wiederkehrenden Aufgaben. Das Müssen. Die Pflicht.

Leben ist Pflicht, wenn man es ernst nimmt. Und Ernst ist die Bedingung für Zuneigung zu anderen und dem Leben, das das bereithält, was man ihm abverlangt. Alkohol ist Dreck, aber Dreck kann man auch abputzen und weiterleben. Prost!

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