Carsharing-Option als Standard in Neuwagen: Ein offener Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP)

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Verkehrsmittel gibt es in Deutschland viele, bloß nicht so viele öffentliche. Warum nicht alle neuen Autos mit der Fähigkeit versehen, als Car-Sharing-Auto genutzt zu werden? Mein offener Brief an Volker Wissing.

Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,

ich habe viel übrig für Innovation. Da habe ich etwas gemein mit Ihrer Partei, der FDP. Leider versiegt die Innovation in Deutschland, wenn es ums Geld geht. Denn Risiko ist immer mit potenziellen Verlusten verbunden. Und dazu sind wir Deutschen nicht mutig genug.

Mut bedeutet, sich ins Ungewisse zu begeben, jedoch nicht blind, sondern mit einem Gespür für Chancen. Eine dieser Chancen, die ich Ihnen nahelegen möchte, skizziere ich im Folgenden.

Ich bin der Meinung, dass der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs voranschreiten muss. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass dies nicht von jetzt auf gleich geht. Wenn ich auf die Straße in meiner Wohngegend blicke, dann sehe ich jedoch eines: An Verkehrsmitteln mangelt es nicht. Es mangelt lediglich an öffentlichen.

Daher habe ich einen konkreten Vorschlag: Ich befürworte, bei allen in Zukunft zugelassenen Neuwagen die Möglichkeit vorzuschreiben, diese ohne weitere technische Aufrüstung als Carsharing-Auto nutzbar machen zu können.

Dies wäre eine Auflage, die sicherlich nicht auf Bundesebene zu treffen wäre, sondern EU-weit. Es geht mir wohlgemerkt nicht um eine Pflicht, die Autos zur Vermietung freizugeben. Vielmehr bestünde für die Eigentümer der Wagen somit ein Anreiz, dies freiwillig zu tun.

Untermauert werden müsste dies wohl durch Reformen im Bereich Versicherungswesen. Um die technische Machbarkeit müsste man sich indes keine Sorgen machen. Der chinesische Hersteller Lynk & Co hat daraus bereits ein Geschäftsmodell entwickelt. Auch Carsharing ist nun mal keine neue Erfindung. Dass jedermann jedoch zu einem Teil eines Mobilitätsnetzes werden kann und somit der Autobestand viel effizienter genutzt werden könnte – das ist neu.

Jedoch werden sich die Hersteller nicht freiwillig in die Rolle des Ermöglichers eines Geschäftsmodells manövrieren lassen, von dem sie letztlich nicht selbst profitieren. Da Elektroautos aber ohnehin mehr von den Dienstleistungen leben, die sich durch die Digitalisierung von Antrieb und Cockpit ergeben, bin ich zuversichtlich, dass durch den oben skizzierten Schritt auch die Autohersteller zu neuen Geschäftsmodellen gedrängt werden, die schlussendlich eine solidere Einnahmequelle darstellen als die heutige Produktion und Instandhaltung.

Ich bin überzeugt, dass Automobilität auch in Zukunft Ausdruck von Individualität bleiben wird. So ist denkbar, spezielle Modifizierungen buchen zu können. Beispielsweise könnten bestimmte Streamingdienste automatisch bei Fahrtantritt geladen werden. Die Innenraumbeleuchtung und gar die Lackierung könnten individuell angepasst werden. Ein entsprechendes Konzept hat BMW erst kürzlich präsentiert. Somit würde Individualität ohne Eigentum am Fahrzeug ermöglicht. Auch die Freischaltung von Motorleistung oder Reservierung von Parkflächen am Zielort könnten in diesen Services integriert werden. Die Möglichkeiten wären praktisch endlos und würden sowohl Kunden als auch Herstellern zugutekommen.

Die Schaffung eines Marktes für individuelle Mobilität, die nicht ans Eigentum gekoppelt ist, hat sich bei E-Rollern und Leihfahrrädern bereits als erfolgreich erwiesen. In diesen Feldern ist es jedoch zu einer Konzentration auf wenige Anbieter gekommen, was zwar mitunter praktisch für die Nutzer ist, da sie nur eine oder wenige Smartphone-Apps benötigen. Doch marktwirtschaftlich ist diese Konzentration nicht zu befürworten.

Die einzige Möglichkeit, diese Situation auch bei Autos zu umschiffen, wäre die Schaffung von Standards und offenen Industrieprotokollen, die verhindern, dass sich einzelne Marktakteure zum Nachteil der Kunden bereichern. Diese Standards müssten schließlich zur Auflage für neue Pkw-Modelle gemacht werden.

Noch einmal: Es soll weiterhin möglich sein, ein privates Auto allein für sich selbst zu nutzen. Lediglich die Option, es zum Teil eines offenen Mobiltätsnetzes werden zu lassen, dürfen wir nicht einzelnen Herstellern überlassen, sondern flächendeckend einführen.

Ich bin zuversichtlich, dass sich durch eine Nachrüstung von bestehenden Autos auch im Nachhinein effizientere Nutzungen ermöglichen ließen. Auch hier sollte es, sofern dies technisch möglich ist, eine Verpflichtung zur nachträglichen Umrüstung bestehender Modelle geben. Jeder Hersteller sollte eine solche Option anbieten müssen, die letztlich gegen Aufpreis für die Besitzer der Autos zu erwerben ist.

Bei Neuwagen sollte die Option dagegen verpflichtender Teil des Autos sein. Den Herstellern könnte es freigestellt werden, die Carsharing-Option gegen Aufpreis von den Kunden aktivieren zu lassen oder gar durch Provisionsmodelle daran mitzuverdienen. Schließlich ist die Bereitstellung von Abrechnungs-, Versicherungs-, Ortungs- und weiteren Diensten mit Aufwand verbunden, die ein einzelner Autobesitzer nicht selbst leisten kann und somit auch an den Kosten dafür beteiligt werden sollte.

Ich freue mich über Ihre Rückmeldung zu diesem Vorschlag. Gerne können Sie mich diesbezüglich kontaktieren. Ich besitze jedoch keine technische Expertise und möchte hiermit lediglich einen mobilitätskritischen Impuls liefern.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Bröker

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