Ich sehe es ein: Eine Kamera, wie ich sie benutze, braucht kein normaler Journalist. Und das hat nicht mit der Bildqualität oder dem professionellen Eindruck zu tun, den ich dadurch manchem Interview-Partner vermittle.
Es ist so: Wem der Rücken vom Kamera-Equipment schmerzt oder erst nach einer halben Minute die richtige Einstellung an der tollen Spiegelreflex oder Systemkamera findet, der sollte um meinen früheren Leitfaden für Journalisten, die eine Kamera suchen, einen weiten Bogen machen.
Ganz ohne Kamera geht es aber auch nicht. Was also tun?
Ich habe durch mehr Praxiserfahrung und Beobachtung bei Kollegen einige Feststellungen gemacht, die ich in diesem Artikel gerne teilen möchte:
Wer ein halbwegs aktuelles Smartphone hat, ist meist ausreichend bedient.
Zu den Pluspunkten:
- Man hat das Smartphone eh die ganze Zeit dabei.
- Die Aufnahmen sind oft schon ohne Bearbeitung wunderbar scharf und die Farben sind lebendig.
- Die Fotos sind rauscharm und hochauflösend. Völlig ausreichend für den Druck in der Zeitung.
- Die Fotos können sofort mit Apps wie Snapseed zugeschnitten und optimiert werden. Etwas mehr Kontrast oder Sättigung? Kein Problem.
- Die Fotos können sofort geteilt werden: ob per AirDrop, E-Mail, Instagram, WhatsApp oder Dropbox.
- Videos haben die Dinger auch drauf. Sogar 4K ist heute kein Problem mehr. Auch Videos können weiterbearbeitet und sofort geteilt werden.
Negativ:
- Das letzte Bisschen an Bildqualität fehlt. Dazu ist eine Kamera mit größerem Bildsensor nötig.
- Das Bildrauschen! Gerade in der Dunkelheit sind die Sensoren der Smartphones überfordert. Manche aktuellen Smartphones haben einen Nachtmodus, der jedoch nur bei unbeweglichen Motiven funktioniert.
- Einen Blitz kann man an den Smartphones nicht anbringen. Der eingebaute Blitz ist nur für Motive, die sich direkt vor der Linse befinden, einigermaßen geeignet.
- Die Perspektiven sind beschränkt. Zwar haben die Smartphones mittlerweile oft mehrere Objektive: ein Ultraweitwinkelobjektiv (16mm), ein Normalobjektiv (28/35mm) und ein Tele (85/135mm). So flexibel, wie mit einem Normalzoom-Objektiv (18–55mm oder 18–135mm) einer Systemkamera oder Spiegelreflex ist man damit aber nicht.
Zwischenfazit: Persönlich würde ich die Pluspunkte fürs Smartphone stärker gewichten.
Denn: Das Smartphone ist schon da, es braucht nicht zusätzlich Geld in eine Fotoausrüstung gesteckt werden, die am Ende kaum zum Einsatz kommt.
Aber: Wer sich an den Nachteilen des Smartphones aufreibt und eine „richtige“ Kamera haben will, der ist mitunter mit meiner früheren Anleitung dennoch schlecht bedient.
Für manche ist eine echte Kamera dennoch lohnenswert!
Ich legte in meiner früheren Anleitung meine eigenen Ansprüche zugrunde: Bildqualität, Bedienung und Preis.
Für folgende Erklärungen werde ich den Punkt Bedienung nicht mehr so stark gewichten. Ich persönlich lege auf möglichst viele Rädchen und Knöpfchen wert, da sich viele Einstellungen der Kameras somit schneller bedienen lassen. Günstigere Kameramodelle verstecken manche grundlegenden Einstellungen in komplizierten Bedienmenüs.
Wie gesagt: Für diese Anleitung ist das egal. Die Kamera sollte super günstig sein und möglichst leicht, damit man sie ohne Rückenschmerzen überall hin mitnehmen kann.
Also hier meine Kriterien
- Günstig: Deutlich unter 500 Euro für die gesamte Ausrüstung.
- Kompakt: Ein schweres Gehäuse und ein extra Batteriegriff und sind hier fehl am Platz. Es geht um eine leichte Bauweise, sodass die Kamera noch in eine kleine Handtasche passt.
- Variabel: Ein Kitobjektiv, das von Weitwinkel bis Tele-Einstellung viele kreative Möglichkeiten bietet.
- Gute Bildqualität: Für einen Vollformat-Sensor reicht das Geld nicht, vor allem, wenn dann noch die teuren Objektive dazu kommen. Es muss als ein APS-C oder MicroFourThirds (MFT) Sensor sein. Diese Sensoren verlängern die Brennweite der Objektive um das 1,5-Fache (APS-C) respektive 2-Fache (MFT).
- Erweiterbar: Die Kamera sollte sich um Blitze und Objektive erweitern lassen, falls es später einmal gewünscht ist.
- Kompatibel: SD-Speicherkarten sollte die Kamera akzeptieren. Die sind günstig und lassen sich in fast jedes Laptop schieben.
- Mit Sucher: Ohne Sucher sind Aufnahmen bei grellem Tageslicht kaum machbar und man gewöhnt sich dadurch an eine professionellere Arbeitsweise.
Ein paar nice to have Funktionen:
- Ein Klappbildschirm, sodass auch Selfies und Bilder aus extrem niedrigen oder hohen Blickwinkeln machbar sind. Am besten mit Touch-Funktion.
- WLAN, um Bilder aufs Smartphone zu schicken.
Welche Modelle kommen infrage?
- Nikon 3000er-Serie: D3100, D3200, D3300, D3400, D3500
- Die Einsteiger-Serie von Nikon. Die Kameras wiegen nur knapp über 400 Gramm ohne angebrachtes Objektiv. Es fehlt ihnen das Klappdisplay.
- Nikon 5000er-Serie: D5100, D5200, D5300, D5500, D5600
- Die Kameras wiegen etwa 560 Gramm. Sie haben ein Klappdisplay und in den modernen Ausführungen sogar WLAN und ein Touchdisplay.
- Canon 1000er-Serie: 1100D, 1200D, 1300D
- Diese Serie war die absolute Einsteiger-Serie von Canon. Die Kameras haben kein Klappdisplay, sind mit knapp 500 Gramm aber ziemlich leicht.
- Canon „Rebel“-Serie: 550D, 600D, 650D, 700D, 750D/750D, 800D
- Bis auf die 550D haben alle Kameras ein Klappdisplay. Ab der 650D ist das Display auch berührungsempfindlich. Mit 550 Gramm sind sie auch relativ leicht. Die ganz modernen Modelle haben auch WLAN.
- Sony 6000er-Serie: Alpha 6000, 6100, 6300, 6400, 6500, 6600
- Bis auf die Alpha 6000, die für unter 400 Euro gebraucht erhältlich ist, sind die Kameras relativ teuer. Das liegt daran, dass sie bereits einen elektronischen Sucher haben und damit auf dem aktuellen Stand der Kameratechnik sind. Sie sind extrem leicht: nur knapp 350 Gramm ohne Objektiv.
Fazit: Die 5000er-Serie von Nikon und Canons „Rebel“-Serie bieten den besten Kompromiss aus Leistung und Gewicht. Bei Sony kommt preislich nur die Alpha 6000 infrage, doch die Objektive für Sony sind leider sehr teuer.
Warum keine Fujifilm, Leica etc.?
Die ausgewählten Kamera-Serien passen gerade noch so ins Budget. Die Kameras anderer Hersteller und auch die aktuellen Serien von Sony, Canon und Nikon sprengen das Budget. Dort finden sich natürlich auch geeignete Kameras, aber es geht oft erst ab 1000 Euro für das Gehäuse los. Hinzu kommen Objektive und Zubehör, sodass am Ende leicht 2000 Euro und mehr auf der Rechnung stehen.
Welches Objektiv soll es sein?
Nikon: Nikon AF-S NIKKOR 18-105 mm F3.5-5.6 DX ED G VR
Das Objektiv deckt einen guten Brennweitenbereich von Weitwinkel bis Tele ab. Umgerechnet auf das Vollformat ergibt sich ein Bereich von 27 bis 157,5 mm.
Canon: Canon EF-S 18-135 mm F3.5-5.6 IS STM
Auch hier ist die Brennweite beachtlich. Da der Cropfaktor bei Canon dem 1,6-Fachen entspricht, hat das Objektiv demnach eine effektive Brennweite von 28,8 bis 216 mm. Von diesem Objektiv gibt es noch eine günstigere Variante ohne STM im Namen. Teurer dagegen ist die Variante mit USM im Namen. Der Unterschied zwischen den Varianten liegt im Autofokusmotor.
Sony: Sony E 18-135mm F3.5-5.6 OSS oder Tamron 18-200mm F/3.5-6.3 Di III VC
Tut mir echt leid, liebe Sony-Fans. Eure Kameras sind echt günstig geworden, wenn ihr nicht das neueste Modell anstrebt. Leider sind die Objektive für Anfänger praktisch unerschwinglich. Das obige Sony-Objektiv kostet selbst gebraucht mehr als 400 Euro. Lediglich das 16-50mm ist bezahlbar (unter 100 Euro). Das Tamron-Objektiv ist ab 300 Euro gebraucht erhältlich.
Fazit: Was die Objektivauswahl angeht, ist man bei Nikon und Canon am günstigsten bedient. Das einfache 18-55mm, das mitunter ausreicht, gibt es bereits für deutlich unter 100 Euro. Die Telezoom-Objektive kosten mehr, aber auch nicht mehr als 200 Euro auf dem Gebrauchtmarkt.
Wo kaufen?
Ich empfehle mpb.com, rebuy.de oder einen lokalen Fotohändler, der auch gebrauchte Kameras mit Garantie verkauft. Bei kleinanzeigen.de kann man auch ein Schnäppchen machen, muss sich aber gut auskennen, um nicht auf Betrüger hereinzufallen.
Zu achten ist auf eine möglichst geringe Auslöse-Zahl. Die Zahl gibt an, wie viele Bilder mit dem in der Kamera eingebauten Verschluss bereits gemacht wurden. Selbst günstige Modelle können locker bis zu 100.000 Auslösungen machen, bis der Verschluss ausgetauscht werden muss. Auf der sicheren Seite ist man, wenn die Zahl wesentlich darunter liegt.
Fazit
Warum überhaupt eine Kaufberatung für etwas, das man eigentlich nicht braucht? Ja, eigentlich schade um Zeit und Geld.
Geht doch einfach zum Mediamarkt und seid zufrieden mit dem Zeug, was euch angedreht wird, solange ihr dadurch nicht verarmt.
Oder geht in ein Fotofachgeschäft. Aber seid gewarnt vor den Preisen für aktuelle spiegellose Systemkameras. Da sind 3000 Euro und mehr für eine gute Ausrüstung ohne Sonderwünsche keine Seltenheit.
Daher habe ich entschlossen, gebrauchte Kameras, die dennoch die meisten fotojournalistischen Ansprüche bedienen, in den Vordergrund zu rücken – eine Abkürzung durch den Dschungel an Angeboten.
Wenn ihr mich fragt: Kauft euch eine Canon EOS 700D mit einem 18-135mm Objektiv oder eine Nikon D5100 mit einem 18-105mm Objektiv. Dafür müsst ihr ungefähr 400 Euro ausgeben. Dann habt ihr hoffentlich noch Geld übrig für einen TTL-Aufsteckblitz, einen Ersatzakku, eine kleine Tasche und ein paar Speicherkarten.
Oder ihr lasst den Quatsch und lernt zu fotografieren. Das geht auch mit dem Handy!